Erwartungen besser verstehen mit dem Blickwinkeltausch

Fabian WalterFührung, StakeholdermanagementHinterlasse einen Kommentar

Stakeholder Erwartungen besser verstehen mit dem Blickwinkeltausch

Arbeiten die verschiedenen Abteilungen in deinem Unternehmen gut zusammen, oder denkt jede Abteilung zuerst mal an sich selbst? Verstehen die verschiedenen Abteilungen, warum die anderen so handeln? Oder hörst du häufig Aussagen, wie: “Das war ja mal wieder typisch für Abteilung XYZ”?

Leider wird in vielen Firmen viel Zeit und Energie in Konflikten und Machtkämpfen zwischen den einzelnen Abteilungen verschwendet, obwohl sie doch eigentlich alle am selben Strang ziehen sollten.

Aber wie kannst du es erreichen, dass die Abteilungen ihre Sichtweisen, Bedürfnisse und Befürchtungen gegenseitig besser verstehen? Wie kannst du ein besseres gegenseitiges Verständnis in den Abteilungen schaffen und so deren Zusammenarbeit optimieren?

 

Jede Abteilung hat ihre ganz eigene Sichtweise auf das Projekt

Jede Abteilung hat ihre ganz eigene Sicht der Dinge. Und natürlich legt auch jede Abteilung ganz eigene Prioritäten in deinem Projekt. Der Vertrieb denkt hauptsächlich daran, wie er dem Kunden eine bestimmte Neuerung schmackhaft machen kann. Die IT-Abteilung ist vor allem mit den technischen Feinheiten zu Gange und die Buchhaltung schaut auf die entstehenden Kosten und die möglichen Einnahmen. Was im besten Fall ein großer Vorteil ist, endet in vielen Unternehmen leider oft in Machtkämpfen und (Verteilungs-)Konflikten um die begrenzten Projektressourcen. Im schlimmsten Fall denkt dann jede Abteilung nur noch an ihre eigenen Bedürfnisse und verliert das übergeordnete Ziel aus dem Blick. Letztlich kostet das alle viel Zeit, Energie und oft auch Geld.

 

Den anderen besser verstehen mit dem Blickwinkeltausch

Es gibt aber eine einfache Methode, um die Erwartungen des Gegenüber besser zu verstehen. Die Grundidee, die wir eigentlich aus der Konfliktbearbeitung und Mediationsarbeit kennen, wird auch in einem indianischen Sprichwort deutlich:

“Urteile nie über einen anderen, bevor du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gegangen bist.”
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Und genau darum geht es bei der heutigen Methode: dem “Blickwinkeltausch”! Die Vertreter der verschiedenen Abteilungen sollen sich hier nämlich – im übertragenen Sinne – die Schuhe einer anderen Abteilung anziehen. Sie sollen sich also in ihren Gegenüber hineinversetzen und versuchen die Bedürfnisse und Wünsche des anderen zu ermitteln. Im Anschluss werden diese Einschätzungen gesammelt, um dann den wirklichen Befürchtungen und Bedürfnissen gegenübergestellt zu werden. Diese Gegenüberstellung und das anschließende Gespräch helfen dabei, unausgesprochene Annahmen sichtbar zu machen und unterschiedliche Rollenzuschreibungen zu klären.

Aber was muss man bei diesem Blickwinkeltausch alles beachten?

 

Der Blickwinkeltausch – die Voraussetzungen

  • Lade alle relevanten Stakeholder ein
    Die wichtigste Voraussetzung ist natürlich, dass alle relevanten Stakeholder anwesend sind. Hierfür verwendest du am besten die Ergebnisse einer Stakeholderanalyse und deiner Stakeholdermatrix. Wie das geht erfährst du im Artikel “Stakeholderidentifikation und Stakeholderanalyse“.
  • Die Bereitschaft der Teilnehmer muss vorhanden sein!
    Die zweite wichtige Voraussetzung ist, dass alle anwesenden Stakeholder auch an einer Lösung interessiert sind. Denn das “sich hineinversetzen” in den Gegenüber bedarf einer gewissen Offenheit und die wirst du nicht erreichen können, wenn einer (oder mehrere) der anwesenden Stakeholder zu diesem “Experiment” nicht bereit sind.
  • Schaffe einen guten Rahmen für den Blickwinkeltausch
    Sorge dafür, dass die Anwesenden genügend Zeit haben, um sich auch wirklich auf den Blickwinkeltausch einzulassen und verhindere Störungen (soweit wie möglich). Zudem solltest du den Raum möglichst so herrichten, dass ein Austausch gefördert wird – z.B. über die Anordnung der Tische und Stühle.
  • Auswahl des Themas
    Bevor der Blickwinkeltausch beginnen kann, ist es wichtig das Thema genau zu definieren. Geht es um einen bestimmten Teil des Projektes oder um einen Prozess? Welche Frage soll also gelöst werden? Welche Diskussionspunkte stehen an? In dieser Situation bietet es sich auch an, bestimmte Themen bewusst auszuschließen. Zudem sollte das gewählte Thema immer von den Personen gelöst betrachtet werden, d.h. das gewählte Thema sollte niemals eine Gruppe oder eine einzelne Person sein.

 

Der Blickwinkeltausch – das Vorgehen

  • SCHRITT 1: WAHL DES THEMAS
    Als erstes solltet ihr auf jedes Blatt das gewählte Thema oben, über die Tabelle schreiben. Dann notiert ihr die einzelnen Stakeholder in die linke Spalte. Jeder Stakeholder bekommt eine eigene Zeile.

Stakeholder Erwartungen Blickwinkeltausch - Tabelle

 

  • SCHRITT 2: BEDÜRFNISSE UND BEFÜRCHTUNGEN
    Jetzt geht ihr nach und nach jeden Stakeholder durch und schreibt deren Bedürfnisse (bzw. Erwartungen, Interessen, Wünsche und Motivation) und die Befürchtungen (bzw. Ängste, Sorgen oder Anliegen) auf. Hier startet also der eigentliche Blickwinkeltausch, denn jeder Stakeholder formuliert nun seine Bedürfnisse und Befürchtungen, als ob er Stakeholder 1 wäre. Für Stakeholder 1 heißt das natürlich, dass er seine eigenen (“wirklichen”) Bedürfnisse und Befürchtungen formuliert. Für die anderen Stakeholder heißt das aber, dass sie sich in den Stakeholder 1 hineinversetzen und die Ängste und Wünsche aufschreiben, als wären sie selbst der Stakeholder 1.
  • SCHRITT 3: SAMMLUNG
    Nun präsentiert jeder Teilnehmer seine Ergebnisse und diese werden am besten zentral auf einem FlipChart gesammelt. Als letzter in dieser Runde präsentiert Stakeholder 1 seine “echten” Bedürfnisse und Befürchtungen.
  • SCHRITT 4: AUSTAUSCH
    Nun solltet ihr über die “echten” und die “vermuteten” Bedürfnisse und Befürchtungen sprechen. Wo gibt es Überschneidungen und – vor allem – wo zeigen sich Abweichungen. Hier zeigen sich die unterschiedlichen Annahmen und Sichtweisen der verschiedenen Personen.
  • SCHRITT 5: WIEDERHOLUNG FÜR ALLE STAKEHOLDER
    Wiederholt nun die Schritte 1 bis 4 für jeden weiteren Stakeholder. Damit deckt ihr für jeden Stakeholder die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Blickwinkel auf und lernt die unterschiedlichen Rollenzuschreibungen und ggf. auch die dahinter liegenden Annahmen besser kennen.
  • SCHRITT 6: SCHLUSSFOLGERUNGEN UND LÖSUNGEN
    Abschließend geht es jetzt darum, Schlüsse aus den aufgedeckten unterschiedlichen Blickwinkeln zu ziehen. Was kann beispielsweise an der Rollenverteilung verändert werden oder wie kann die Kommunikation zwischen den Stakeholdern verändert werden, so dass ihre Bedürfnisse besser befriedigt und ihre Ängste reduziert werden können?

 

Wer diese Schritte – mit einer gewissen Offenheit – durchführt, der wird unweigerlich zu einem viel tieferen Verständnis der anderen Positionen gelangen. Und dadurch wird auch das Handeln (und die dahinter liegenden Gründe) viel verständlicher. Wenn das Handeln eines Stakeholders früher zu Unverständnis und Ärger geführt hat, ist es ab jetzt nachvollziehbarer. Denn ihr kennt ja jetzt die Bedürfnisse und Befürchtungen der anderen. Damit könnt ihr euch gegenseitig besser unterstützen, größere Synergieeffekte erzielen und damit euer gemeinsames Ziel besser erreichen.


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