Im letzten Artikel haben wir uns die Idee hinter agilem Projektmanagement (basierend auf dem Agilen Manifest) angesehen und erkannt, dass es sich um 4 Werte und 12 Prinzipien handelt. Worum es sich aber nicht handelt, ist ein vorgegebener Prozess zur Umsetzung dieser Werte und Prinzipien.
Hierfür gibt es verschiedene Modelle, von denen SCRUM eines der bekanntesten und am weitesten verbreiteten ist. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff SCRUM? Und auf was musst du achten, wenn du es in deinen Projekten einsetzen willst?
In diesem Artikel findest du die wichtigsten Informationen über die 3 Rollen in Scrum sowie über die 3 sogenannten Artefakte (oder Ergebnisse) auf denen der SCRUM-Prozess aufbaut. Die Einzelheiten des SCRUM-Prozesses und dessen Ablauf schauen wir uns dann im nächsten Artikel an.
SCRUM – Einführung
SCRUM ist ein Begriff, den die wenigsten Menschen im deutschsprachigen Raum außerhalb des agilen Projektmanagements kennen. Im englischsprachigen Ausland – und vor allem in Ländern in denen Rugby einen hohen Stellenwert einnimmt – sieht das ganz anders aus. Denn SCRUM – das auf deutsch mit Gedränge übersetzt werden kann – bezeichnet eigentlich eine Spielsituation im Rugby, mit der nach einer Spielunterbrechung das Spiel wieder aufgenommen wird.
Und damit beschreibt der Begriff eine der Grundlagen von SCRUM als agiler Methode: nämlich, dass die Teams im SCRUM-Prozess als kleine, selbstorganisierte Einheiten agieren sollen. Sie bekommen zwar von außen die Richtung vorgegeben, wie sie aber ihr gemeinsames Ziel erreichen, bleibt ihnen selbst überlassen. Genau wie bei den Teams im Rugby eben auch.
SCRUM besteht im Wesentlichen aus 3 Bereichen: diese umfassen die 3 Rollen, die 3 Artefakte (oder Ergebnisse) sowie die 5 Aktivitäten (um die wir uns im nächsten Artikel kümmern). Im Folgenden gehen wie die ersten beiden Bereiche Schritt für Schritt durch.
SCRUM – Die 3 Rollen
Product Owner
In jedem Projekt gibt es einen Auftraggeber, der eine Vision hat und die Ziele und Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt (oder die Dienstleistung) beschreibt und später auch die Zielerreichung beurteilt. Diese Rolle des Auftraggebers wird im SCRUM als “Product Owner” bezeichnet.
Anders als bei “klassischen” Vorgehensweisen, hat der Product Owner eine deutlich höhere Verantwortung für das Endergebnis. Denn er ist – über den Product Backlog – dafür verantwortlich, dass die richtigen Anforderungen in der richtigen Reihenfolge abgearbeitet werden.
Obwohl der Product Owner damit eine hohe Verantwortung für das Endergebnis hat, ist es hier aber wichtig darauf hinzuweisen, dass er nicht der Vorgesetzte des Teams ist und diesem auch keine Arbeitsanweisungen gibt!
Scrum Master
Die zweite Rolle in SCRUM ist der sogenannte “Scrum Master”. Seine Rolle wird häufig als die des Projektleiters missverstanden. Wichtig ist hier zu beachten, dass der Scrum Master zwar für die korrekte Einhaltung des Prozesses verantwortlich ist, alle Hindernisse, die dem Team bei seiner Arbeit im Weg stehen, beseitigt und das Team vor äußeren Eingriffen schützt. Anders als ein klassischer Projektleiter hat er aber nicht die Rolle des Chefs inne. Er vergibt also keine Arbeitspakete an die einzelnen Teammitglieder und überprüft auch nicht deren Umsetzung!
Ein Scrum Master steht dem Team also als “servant leader” zur Verfügung und unterstützt es bei der korrekten Umsetzung des Prozesses. Der Scrum Master hat also weder fachliche noch disziplinarische Befugnisse und ist damit auch kein klassischer Projektleiter.
Developer
Die dritte Rolle in SCRUM sind die Developer. Sie sind diejenigen Personen im Scrum Team, die in jedem Sprint ein nutzbares Inkrement erarbeiten. Die Zusammensetzung der Developer ist meist breit gefächert und variiert je nach Arbeitskontext.
Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Developer umfassen:
- Sie sind für das Ergebnis und dessen Qualität verantwortlich.
- Sie erstellen einen Plan für den Sprint (= Sprint Backlog).
- Sie passen ihren Plan täglich an.
- Sie ziehen sich gegenseitig zur Verantwortung.
Das Scrum Team
Das Scrum-Team sollte aus 10 Personen (oder weniger) bestehen und ist interdisziplinär zusammengesetzt. Die Geringe Größe stellt sicher, dass das Team klein genug ist, um “flink” zu bleiben, aber groß genug ist, um “bedeutsame” Arbeit innerhalb eines Sprints zu erledigen.Sollte es nötig sein mehr als 10 Personen an der Entwicklung eines Produkts (oder einer Dienstleistung) zu beteiligen, dann werden diese in mehrere miteinander kommunizierende Teams unterteilt.
Es wird also klar, dass die Anforderungen an ein Scrum-Team gänzlich andere sind, als die an ein “klassisches” Team. Gerade das Selbstmanagement eines Teams bedarf einiges an Übung und Eingewöhnung, um alte Verhaltensmuster abzulegen!
SCRUM – Die 3 Artefakte (oder Ergebnisse)
Product Backlog
Kommen wir nun zum ersten der 3 Artefakte des SCRUM, nämlich dem sogenannten Product Backlog. Dabei handelt es sich um eine Liste der Anforderungen an das Produkt (oder die Dienstleistung) – ohne jedoch den Anspruch zu erheben, dass es sich um eine endgültige und umfassende Liste handelt. Im Laufe des Projektes werden also immer wieder Einträge hinzukommen. Es ist aber auch möglich, dass – basierend auf der veränderten Situation – Einträge wieder aus dem Product Backlog verschwinden.
Wichtig ist, dass es sich beim Product Backlog um eine Prioritäten-Liste handelt, d.h. jeder Eintrag wird nach seinem Nutzen für das endgültige Produkt eingeordnet und es wird darauf geachtet, dass es eine klare Priorisierung und damit keine “gleichrangigen” Anforderungen gibt!
Wie bereits im Abschnitt “Rollen” beschrieben, ist der Product Owner für den Product Backlog verantwortlich. Er nimmt neue Einträge auf, beschreibt diese und nimmt auch die Priorisierung der Einträge vor.
Um die Anforderungen möglichst anwenderorientiert zu beschreiben, hat sich eine Formulierung der Einträge (auch Product Backlog Items genannt) anhand von User Stories bewährt. Dies funktioniert nach dem Muster: “Als NUTZER will ich FUNKTION, damit NUTZEN”, also beispielsweise für einen Online-Einrichtungs-Shop: “Als Kunde (= NUTZER), will ich die Produkte anhand von Räumen sortieren können (= Funktion), damit ich das richtige Produkt schneller finde (= Nutzen).”
Commitment: Produkt‐Ziel
Seit 2020 wurde das Produkt-Ziel als Commitment in den Scrum Guide aufgenommen. Es beschreibt “einen zukünftigen Zustand des Produkts, welches dem Scrum Team alsPlanungsziel dienen kann“.
Sprint Backlog
Das nächste Artefakt – der sogenannte Sprint Backlog – ist vergleichbar mit dem Product Backlog. Es handelt sich nämlich um eine Liste an Aufgaben, die zur Umsetzung der für den aktuellen Sprint aus dem Product Backlog ausgewählten Anforderungen, wichtig sind. Der Sprint Backlog ist das Ergebnis des – weiter unten beschriebenen – Sprint Plannings.
Da es sich bei einem Sprint um einen ein bis vier Wochen langen Entwicklungszyklus handelt, sollte der Umfang der Aufgaben im Sprint Backlog nicht größer als zwei Arbeitstage sein. Größere Aufgaben sollten also in kleinere Teilaufgaben unterteilt werden. So kann eine sinnvolle Fortschrittskontrolle sichergestellt werden.
Commitment: Sprint‐Ziel
Das Sprint‐Ziel ist die einzige Zielsetzung für den Sprint und soll das Scrum Team ermutigen zusammen statt einzeln zu arbeiten. Es wird während des Sprint-Plannings erstellt und sollte ausreichend Flexibilität für die Erledigung der nötigen Arbeiten ermöglichen.
Product Increment
Laut Scrum-Definition muss am Ende jedes Sprints ein “Potentially Shippable Product” – also ein potenziell lieferbares Produkt bereitstehen. Das dritte und letzte Artefakt ist deshalb das sogenannte Product Increment, sozusagen die nächste “Ausbaustufe” des Produkts (oder der Dienstleistung). Damit handelt es sich beim Product Increment also einfach um die Summe der in den bisherigen durchlaufenen Sprints umgesetzten Anforderungen des Product Backlogs.
Commitment: Definition of Done
Die Definition of Done beschreibt die Qualitätsstandards, die erfüllt sein müssen, damit die Arbeit eines Sprints als erledigt gelten kann.
Wie du siehst, sind die Rollen in Scrum klar verteilt. Wichtig ist zu beachten, dass es im Scrum keinen “traditionellen” Projektleiter gibt, der die Aufgaben verteilt und deren Umsetzung überwacht. Zentral bei Scrum ist hingegen ein sich selbstmanagendes Team. Der Scrum Master hält dem Team dann den Rücken frei und räumt ihm die Steine aus dem Weg. Zudem wacht er über die korrekte Einhaltung des Prozesses. Dem Product Owner kommt auch eine größere Verantwortung zu, denn er legt nicht nur einmal am Anfang des Projektes die Anforderungen fest, sondern muss diese kontinuierlich an die neuen Gegebenheiten anpassen und ist für deren Priorisierung verantwortlich. Damit trägt er einen sehr großen Teil der Verantwortung für die erfolgreiche Entwicklung des Produkts (oder der Dienstleistung)!
Dies spiegelt sich wieder im ersten der drei Artefakte (oder Ergebnisse), nämlich dem Product Backlog. Aus diesem wird dann der jeweilige Sprint Backlog entwickelt und damit dann die einzelnen Product Increments – also die einzelnen Produkt-“Ausbaustufen”.
Wie diese drei Rollen und drei Artefakte im Scrum-Prozess zusammen hängen sehen wir dann im nächsten Artikel.
2 Kommentare zu “SCRUM – Einführung, Rollen und Artefakte”
Ein paar Anmerkungen zu dem Artikel:
1. Der Product Owner vertritt zwar die Auftraggeberseite, ist aber nicht einfach ein anderer Name für den Auftraggeber. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil daraus zum Beispiel folgt, dass Scrum auch verwendet werden kann, wenn man im Auftrag entwickelt und nicht schon daran scheitert (wie oft gesagt), dass der Kunde dafür die Rolle als PO angeblich verstehen müsse.
2. Die optimale Teamgröße von 7 liest man oft, aber was noch wichtig ist: Scrum gibt eigentlich nur eine Minimal- (3) und eine Maximalgröße des Teams vor (9). Streng genommen bedeutet das: schon bei 10 Personen ist eine Unterteilung in mehrere Teams erforderlich.
3. Der Umfang der Aufgaben im Sprint Backlog ist in Scrum nicht festgelegt. Die Empfehlung von zwei Tagen finde ich auch eher schwierig, denn wie soll man das in der Realität gewährleisten? Einzige Voraussetzung ist, dass die Aufgabe innerhalb eines Sprints abgeschlossen werden kann. Die Empfehlungen für die Praxis gehen daher auch eher in die Richtung, dass die geschätzte Dauer nicht mehr als 1/4 der Sprint-Dauer beträgt, also bei einer Sprint-Länge von 4 Wochen könnte ein Task ohne Weiteres eine Woche dauern.
Für die Fortschrittskontrolle gibt es das Mittel der Restaufwandsschätzung, die täglich erfolgen soll.
Hallo Patrick,
danke, dass du einige Punkte des Artikels nochmal aufgegriffen hast! Gerade auf den Unterschied zwischen Product Owner und (klassischem) Auftraggeber sowie einer Unterteilung der Teams ab 10 Personen, kann man gerne mehrfach hinweisen 🙂
Noch kurz zur Empfehlung, dass der Umfang von Aufgaben möglichst zwei Tage nicht überschreiten soll: Dabei handelt es sich um eine Empfehlung. Wenn es aber gute Gründe für eine Überschreitung gibt, dann kann man das sicherlich machen. Es zeigt sich aber immer wieder, dass genau dort, wo mit zu großen Aufgaben (z.B. 1/4 der Sprint-Dauer) geplant wird, Probleme entstehen. Und oft lassen sich diese eben auch in kleinere Teil-Aufgaben splitten und werden so “handhabbarer”
Viele Grüße und erfolgreiche Projekte!
Fabian