Bonuszahlungen sind in den letzten Jahren immer mehr zum Synonym für Maßlosigkeit und Raffgier geworden. So konnten wir zum Beispiel Anfang des Jahres eine völlig realitätsferne Debatte über Bonuszahlungen bei Volkswagen miterleben: Zwar befindet sich der Konzern, laut Aussage der sogenannten Top-Manager, in einer “existenzbedrohenden Krise”, auf die Erfolgs-Boni in Millionenhöhe wollten die Herren “Konzernlenker” aber dann doch nicht verzichten.
Es mehren sich zwar die Anzeichen, dass das Maß der Maßlosigkeit langsam voll ist. Ich denke aber (leider), dass unsere Gesellschaften noch eine ganze Weile brauchen werden, bis sie dieser schädlichen Praxis endlich Einhalt gebieten.
Aber vielleicht ist diese völlige Realitätsverachtung der sogenannten Top-Manager auch noch für etwas anderes gut. Denn dieses maß- bzw. schamlose Verhalten zwingt uns ja fast schon dazu grundsätzlich über unsere Motivationsmethoden nachzudenken.
Wenn wir nämlich einmal genauer hinschauen, dann ist der “Carrot and Stick”-Ansatz, also Belohnung und Bestrafung, noch immer der am meisten eingesetzte Motivationsmechanismus in unserem (Berufs-)Leben. Aber ist das wirklich gut so?
Die Wissenschaft zeigt deutlich: Unsere Belohnungs-Systeme funktionieren nur selten!
Wie gut funktionieren unsere althergebrachten Motivationssysteme, die auf dem “Zuckerbrot und Peitsche”-Modell basieren?
Schauen wir uns dazu einmal das Kerzenproblem des deutschen Psychologen Karl Duncker an. Die Aufgabe bei diesem Versuch besteht darin, eine Kerze so an einem Brett zu befestigen, dass das Wachs nicht auf den Boden tropft. Im folgenden Bild siehst du, was dir zur Verfügung steht:
Die einzig praktikable Lösung für dieses Problem ist quasi eine “out-of-the-box”-Lösung. Wenn du nämlich die Box in der sich die Streichhölzer befinden nicht nur als “Box zur Aufbewahrung der Streichhölzer” sondern als Teil der Lösung ansiehst, kannst du das Kerzenproblem lösen.
Basierend auf diesem Problem hat der kanadische Psychologe Sam Glucksberg überprüft, welchen Einfluss finanzielle Boni auf die Problemlösung haben. Dafür stellte er zwei Gruppen vor das Kerzenproblem.
- Mit der Referenz-Gruppe sollte angeblich nur die durchschnittlich benötigte Zeit bis zur Problemlösung ermittelt werden. Dieser Wert sei für ein späteres Experiment wichtig.
- Den besten Teilnehmern aus der Belohnungs-Gruppe hingegen wurden Bonuszahlungen versprochen. Die schnellsten 25% sollten demnach je ca. 40$ und der schnellste Teilnehmer 150$ als Belohnung erhalten.
Interessanterweise zeigte das Experiment (und viele weitere ähnliche Experimente), dass die Teilnehmer der Belohnungs-Gruppe im Durchschnitt deutlich länger für die Problemlösung brauchten als die Referenz-Gruppe!
Und hierzu sind die wissenschaftlichen Untersuchungen sehr deutlich:
- Nur bei einfachen Aufgaben, bei denen der Weg zum Ziel klar vorherzusehen ist, zeigen Belohnungsanreize einen positiven Effekt.
- Bei komplexeren Aufgaben wirken sich solche Belohnungsanreize meist sogar negativ aus. Die Leistungsfähigkeit und Problemlösungsfähigkeit wird dadurch teils deutlich geringer.
Darüber sollten nicht nur die VW-Manager mal etwas länger nachdenken!
Empowerment – Die Motivationsquelle für das 21. Jahrhundert
Finanzielle Bonuszahlungen erhöhen die Leistungsfähigkeit also nur bei wenig komplexen Problemen. Deren Wichtigkeit hat in unserem (Berufs-)Alltag aber in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich abgenommen. Sie werden zunehmend an Dienstleister – teils in andere Weltregionen – ausgelagert oder auch durch technische Hilfsmittel erledigt.
Im 21. Jahrhundert bleiben uns also eher die komplexen Probleme erhalten, bei denen Bonuszahlungen als Leistungsanreiz eher schädlich sind. Doch was machen wir nun in einer Zeit, in der wir immer öfter vor komplexen Problemen ohne klaren Weg und teilweise mit ungewissem Ausgang stehen? Wie schaffen wir es die Problemlösungsfähigkeit zu steigern? Wie kannst du ein motivierendes Umfeld für deine Teammitglieder schaffen?
Die Lösung heißt: Empowerment!
Grundsätzlich geht es beim Empowerment eines Mitarbeiters um drei Fragen. Diese Fragen sind:
Kann die Person es schaffen?
Hier meine ich nicht Motivations-Guru-Bla-Bla im Sinne von “Können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das!” und je mehr wir uns das selbst einreden, desto realer wird es dann.
Nein! Bei wirklichem Empowerment geht es um die Frage, ob die jeweilige Person wirklich das Gefühl hat, dass sie (a) die Zeit, (b) das Wissen und (c) die Fähigkeiten hat, um die Aufgabe zu erledigen.
Ermöglicht das Umfeld die Zielerreichung?
Hier dreht sich alles um die unterstützenden Prozesse, Hilfsmittel und Praktiken im Arbeitsumfeld. Nur, wenn das Umfeld stimmt, kann ein wirkliches Gefühl des Empowerments entstehen. Denn wenn beispielsweise ein Buchhalter nicht an die notwendigen Finanzdaten herankommt, dann kann er die erste Frage (“Kannst du es schaffen?”) noch so überzeugt mit “Ja” beantwortet haben. Spätestens das schlechte Arbeitsumfeld wird das Gefühl des Empowerments ganz schnell zunichte machen!
Bei Empowerment geht es also auch darum, die nötigen (Hilfs-)Mittel bereitzustellen.
Ist es Wert getan zu werden?
Die dritte wichtige Frage ist die nach den (positiven!) Konsequenzen. Was wird passieren, wenn die Aufgabe erledigt wird?
Nur wenn die verantwortliche Person auch den Sinn der Aufgabe sieht, kann sich wirkliche Motivation einstellen. Wenn die Person die Aufgabe jedoch nur als notwendiges Übel ansieht, dann wird das eher nichts mit der intrinsischen Motivation.
Bei dieser Frage ist es hilfreich, wenn du dich auf die positiven Konsequenzen (d.h. was können wir dadurch erreichen?) konzentrierst und weniger mit negativen Konsequenzen (d.h. was wollen wir dadurch vermeiden?) argumentierst.
Die Macht von “Empowerment” und intrinsischer Motivation
Eine Person, die alle diese drei Fragen mit “Ja” beantwortet, wird eine hohe Eigenmotivation für die jeweilige Aufgabe haben. Denn sie:
- ist davon überzeugt, die Aufgabe meistern zu können,
- empfindet das Umfeld als förderlich und
- glaubt, dass das Erledigen der Aufgabe sinnvoll ist.
Jeder, der eine hohe Eigenmotivation für ein Projekt oder eine Aufgabe hat, wird sehr wahrscheinlich bessere Leistungen in kürzerer Zeit erbringen, als Menschen, die nur über extrinsische – also von außen herangetragene – Faktoren motiviert werden. Das haben auch große und innovative Unternehmen, wie Google, Apple und Microsoft erkannt und experimentieren mit verschiedenen Modellen. Bei Google gab es beispielsweise die 20%-Regel. Sie gestattete es den Mitarbeitern bis zu 20% ihrer Arbeitszeit für “ihre eigenen” Projekte aufzuwenden. Aus diesen Projekten sind u.a. Produkte, wie GMail, Google News oder AdSense entstanden.
Menschen, die die oben genannten drei Fragen mit einem klaren “Ja” beantworten, brauchen also keine Boni als Anreiz! Sie brauchen gleichzeitig auch niemanden, der sie kontrolliert und ihnen mit Sanktionen droht, wenn sie ihre Aufgabe nicht erledigen. Sie erledigen die Dinge, weil sie es selbst wollen!