The Coaching Habit – Reden Sie weniger & fragen Sie mehr

Fabian WalterBuchtipp, Führung, Team(-building)4 Kommentare

The Coaching Habit: Reden Sie weniger & fragen Sie mehr

Nicht einmal jeder Vierte sagt, dass Coaching einen positiven Effekt auf seine tägliche Arbeitsleistung hatte. Und das obwohl die vielen positiven Effekte von einem guten Coaching mittlerweile unbestritten und von vielen Studien belegt sind.

Aber wie kann das sein, dass Coaching ein wichtiger Baustein für langfristigen Erfolg zu sein scheint, aber dennoch die wenigsten den Nutzen selbst erlebt haben?

Und wie schafft es eine Führungskraft, dass ihre Coaching-Versuche zu den positiven Erfahrungen ihrer Mitarbeiter und Kollegen zählen?

Dieser Frage geht Michael Bungay Stanier in seinem Buch „The Coaching Habit: Reden Sie weniger & fragen Sie mehr*“ nach.

 

Vor welchen Problemen stehen viele Teams und ihre Führungskräfte? (eine Bestandsaufnahme)

In einem ersten Schritt analysiert Stanier die weit verbreiteten (und sich gegenseitig verstärkenden) Probleme, die Produktivität verhindern:

  • Entscheidungen werden hauptsächlich von der Führungskraft getroffen.
    Diese weit verbreitete Angewohnheit führt unweigerlich dazu, dass die Führungskraft zum Flaschenhals wird und so eine höhere Produktivität der Mitarbeiter verhindert.
  • Führungskräfte sind überlastet.
    Wenn ein Mitarbeiter dann eine wichtige Frage hat bzw. eine Entscheidung getroffen werden muss, muss zuerst einmal ein “guter Moment” abgewartet werden, zu dem die Führungskraft Zeit hat, sich um dieses Thema zu kümmern.
  • Führungskräfte haben keine klaren Prioritäten.
    Ein drittes Problem ist die ständige Veränderung der Prioritäten durch die Führungskräfte. Denn – gerade überlastete – Führungskräfte setzen Prioritäten meist nicht nach der wirklichen Wichtigkeit der Aufgaben, sondern danach, wie dringend die Aufgabe in diesem Moment erscheint. Da solche Führungskräfte oft von Notfall zu Notfall springen, ändern sich auch die Prioritäten in rasantem Tempo. Teams, die nun aber gerne die Aufgaben abarbeiten würden, werden durch ein solches Verhalten in ihrer Produktivität behindert.

Jede Führungskraft, die sich selbst bei mindestens einem dieser Punkte angesprochen fühlt, sollte sich deshalb eine Coaching-Routine angewöhnen. Denn so kann sie sich langfristig selbst entlasten, ihr Team stärken und auf den Weg zu höherer Produktivität führen.

 

Coaching als Alltagsroutine auf dem Weg zu langfristigem Erfolg

Laut Michael Bungay Stanier sollte es nicht das Ziel einer jeden Führungskraft sein, mit seinen Mitarbeitern wöchentliche oder monatliche formalisierte Coaching-Termine abzuhalten. Viel besser sei es sich eine Coaching-Routine anzueignen, bei der die Mitarbeiter täglich ca. 10 Minuten in einem eher informellen Rahmen gecoacht werden.

Wichtig bei diesen täglichen Coaching Sessions sei es dann auch, dass sich das Coaching auf Weiterentwicklung und nicht nur auf Produktivitätssteigerung konzentriert. Produktivität ist zwar wichtig. Wenn die Führungskraft aber weiter von Brandherd zu Brandherd springt, um die kleinen und großen Katastrophen abzuwenden, dann wird auch wenig Entlastung bei ihr ankommen. Wichtiger sei es sich auf Bereiche zu konzentrieren, in denen das Team wachsen und selbständig werden kann.

 

Wie funktioniert ein Coaching Habit?

Wie soll nun aber eine solche tägliche 10-Minuten-Coaching-Angewohnheit funktionieren? Der Autor empfiehlt in seinem Buch* eine Reihe von 7 verblüffend einfachen Fragen:

 

1) Die Kickstart-Frage

Um das Gespräch schnell und einfach zu beginnen, solltest du Fragen: “Was beschäftigt dich gerade?” stellen. So bekommst du ein erstes Gefühl, was deinem Mitarbeiter gerade auf der Seele brennt. Und häufig wird das gerade nicht das sein, was du als Antwort erwartet hättest.

 

2) Die Frage, die uns Optionen aufzeigt

Da aber die erste Antwort selten die Einzige und meist auch nicht die Beste ist, solltest du als zweite Frage: “Und was sonst noch?” folgen lassen. Diese Frage produziert nämlich weitere Optionen, aus denen der Mitarbeiter dann das wirklich wichtige Thema auswählen kann.

Ein weiterer positiver Effekt dieser “Und-Was-Noch”-Frage ist, dass sie uns davor bewahrt – dem uns alle innewohnenden Wunsch nachzugeben – direkt in den Lösungs- und Antwort-Modus zu schalten. Denn obwohl wir bisher ja nur an der Oberfläche gekratzt haben, würden wir dann gerne sofort eine Lösung präsentieren. Das wäre dann aber weder Coaching, noch wirklich hilfreich.

 

3) Die Fokusfrage

Nachdem du Frage 2 (teilweise auch mehrfach) gestellt hast, ist es nun Zeit für die Fokusfrage: “Was ist für dich die wirkliche Herausforderung?”. Mit dieser Frage grenzt du den Radius wieder ein und fokussierst das Gespräch auf das wirklich Wichtige.

Michael Bungay Stanier weist darauf hin, dass sich der Fokus der Frage durch den Zusatz „die wirkliche Herausforderung“ verstärkt. Denn dein Gegenüber wird damit dazu aufgefordert, aus den vorliegenden Optionen, die eine wirklich wichtige Herausforderung auszuwählen. Und durch den Zusatz “für dich” wird ein Abschweifen auf ein abstraktes Beklagen über Probleme auf einer höheren Ebene verhindert und dein Gegenüber wird eher über die ihn betreffende Herausforderung sprechen.

 

4) Die Frage nach den Bedürfnissen

Im vierten Schritt ist es nun wichtig, die Bedürfnisse des Gegenübers zu identifizieren, denn nur so kannst du ihn wirklich unterstützen. Hierfür empfiehlt der Autor die einfache Frage: “Was brauchst du?”, weist aber auch darauf hin, dass nach dieser Frage häufig zuerst einmal eine kurze Pause und Stille eintreten wird. Denn oft ist es uns selbst gar nicht wirklich klar, was unser Bedürfnis in dieser oder jener Situation eigentlich ist.

 

5) Die Frage nach dem Weg nach vorne

Nachdem du nun die Bedürfnisse des Mitarbeiters kennst, solltest du im nächsten Schritt fragen: “Wie kann ich dir helfen?”. Einerseits zeigt diese Frage deinem Mitarbeiter, dass du wirklich erfahren willst, was er benötigt und ihn auf dem Weg unterstützen willst. Andererseits zwingt sie ihn dazu zum Punkt zu kommen. Zudem kannst du durch die Frage herausfinden, ob es deinem Mitarbeiter wirklich um eine Verbesserung der Situation geht, oder ob er gerade einfach nur mal etwas “Dampf” ablassen will.

 

6) Die Strategie-Frage

Um nun aber auf Worte auch Taten folgen zu lassen, ist es wichtig für die Umsetzung der besprochenen Option und des Wegs nach vorne auch eine Strategie zu entwerfen. Und wie der us-amerikanische Ökonom Michael Porter dazu einmal sagte:

Die Essenz von Strategie ist zu entscheiden, was nicht getan werden soll – Michael Porter
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Deshalb solltest du nun die Frage stellen: “Zu was sagst du ja? Und zu was sagst du nein?”. Denn, wie der Autor sagt, ist ein JA nichts, ohne das NEIN, das ihm Grenzen aufzeigt und ihm eine Form gibt. Denn jede Entscheidung für etwas (z.B. für die Teilnahme an einem Meeting zu Thema A) ist ja gleichzeitig auch die Entscheidung gegen etwas anderes (z.B. eine Telefonkonferenz zu einem anderen Thema B).

Zudem solltest du darauf achten, dass für die Umsetzung einer Option auch der nötige Raum geschaffen wird. Wenn dein Gegenüber sich also für ein bestimmtes Projekt entscheidet, welches Projekt muss er dann dafür stoppen? Oder zu welchen Meetings wird er nicht mehr gehen, um sich Zeit zu freizuschaufeln?

Die Strategie-Frage schafft also Klarheit darüber, wie dein Gegenüber das -besprochene auch umsetzen kann und erhöht gleichzeitig dessen Bekenntnis es wirklich auch umzusetzen.

 

7) Die Lern-Frage

Untersuchungen haben gezeigt, dass wir in Tests, bei denen wir die von uns gegebenen Antworten nochmal überprüfen, deutlich besser abschneiden, als wenn wir jede Frage nur einmal bearbeiten. Aus diesem Grund solltest du auch zum Abschluss einer jeden Coaching-Session deinen Gegenüber fragen: “Was war für dich am hilfreichsten?”. Denn dadurch hilfst du ihm das Gespräch nochmal Revue passieren zu lassen und so noch mehr für sich herauszuholen.

 

Fazit: Einfach zu verstehen, herausfordernd in der Umsetzung

Diese 7 Coaching-Fragen scheinen auf den ersten Blick überraschend einfach zu sein. Die Umsetzung gestaltet sich oft jedoch erst mal schwieriger als gedacht. Deshalb werden wohl auch viele von uns – zumindest bei den ersten Coaching-Versuchen – vor einigen Herausforderungen stehen.

Um den Einstieg so leicht wie möglich zu machen, gibt uns der Autor in seinem Buch “The Coaching Habit: Reden Sie weniger & fragen Sie mehr*” noch viele hilfreiche Tipps und Tricks mit auf den Weg. So erklärt er, auf was wir bei jeder Frage achten sollten. Zudem zeigt er auch mit vielen Beispielen, wie wir die Fragen – passend zur jeweiligen Situation – umformulieren können.

Außerdem gibt es zu jeder Frage noch Hintergrundinformationen: Der Autor erklärt u.a. warum die einzelnen Fragen so wichtig und hilfreich sind. Wie sie zur jeweils vorherigen Frage passen. Und präsentiert auch wissenschaftlichen Studien, die die Wirkung der Fragen verdeutlichen.

Das Buch ist zwar mit 170 Seiten relativ dünn, aber das ist meiner Meinung nach ein weiterer Pluspunkt. Denn dem Autor gelingt es, den – wie ich finde – hervorragenden Inhalt kurz und knapp, aber verständlich und mit vielen Praxisbeispielen auf den Punkt zu bringen.

Für mich ist das Buch – das du hier auch in der englischen Original-Fassung* lesen oder als Hörbuch hören* (für Audible Neukunden im Probemonat sogar gratis*) kannst – ein absolut empfehlenswertes Buch. Nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für jeden, der den positiven Nutzen dieser Coaching-Fragen in seinem beruflichen und/oder privaten Umfeld einsetzen will.


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4 Kommentare zu “The Coaching Habit – Reden Sie weniger & fragen Sie mehr”

  1. Martin Schifferings

    Lieber Fabian,

    ich bin gerade heute über Deinen Blog gestolpert und habe mich gleich festgelesen. Ich bin Führungskraft im öffentlichen Dienst und hätte eine Frage zu Punkt 6) Die Strategie-Frage. Für mich klingt die Formulierung ” Zu was sagst Du Ja, zu was nein?” nicht wirklich büroalltagstauglich, bzw. ich sehe schon die rollenden Augen meiner Kolleginnen und Kollegen… Hast Du hierzu noch einen Tipp?

    Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg mit Deinem Blog!
    Martin

    1. Fabian Walter

      Hallo Martin,
      es freut mich sehr dich als Leser begrüßen zu dürfen!

      Mit deiner Frage triffst du einen schwierigen Punkt, vor dem auch ich immer wieder stehe. In solchen Situationen habe ich dann oft den Impuls, den Kollegen Vorschläge zu machen, welche aktuellen Aufgaben/Projekte nach hinten geschoben werden können, oder bei welchen Tagesaufgaben Ressourcen eingespart werden können.

      Das widerspricht aber dem Coachinggedanken und ich versuche mich dann zurückzuhalten und weiter Fragen zu stellen.

      Wie wäre es denn, in einer solchen Situation – in der die Kollegen mit den Augen rollen – beispielsweise wieder auf Frage 3 („Was ist hier für dich die wirkliche Herausforderung?“) zu springen und die Coachingfragen erneut – für die hinter dem Augenrollen liegende Problematik – durchzugehen?

      Ich könnte mir vorstellen, dass du als Führungskraft hier interessante Antworten erhältst.

      Und falls es darum geht Prioritäten zu setzen, hilft u.a. die Eisenhower-Matrix. Unnötige Zeitfresser findet man sehr gut mit einem Arbeits-Tagebuch, in dem für eine exemplarische Woche die Aufgaben und ihr Zeitbedarf mitgeschrieben werden. Und dann gibt es ja immer noch die 80:20-Regel. 🙂

      Hilft dir das weiter?
      Viele Grüße und erfolgreiche Projekte!
      Fabian

  2. Ulrike Garstman

    Hallo Fabian,

    zu Martins´ Frage habe ich noch eine weitere Idee. Ich würde im 1. Schritt das Augenrollen spiegeln, nachhaken, was diese Reaktion auslöst, was an der Frage offensichtlich irritiert. Denn ein Augenrollen ist eine Ausdrucksform von Widerstand und damit ein wunderbarer Hinweis, dass meinem Gegenüber etwas durch den Kopf geht, was noch nicht geklärt ist.
    Ich würde weiter nachhaken, was es so schwer macht eine erstmal seltsam klingende Frage zu beantworten. Also herausfinden, was die Ursache für den Widerstand ist.
    Deine Erklärung zu den 7 Fragen des Autors finde ich sehr gut und hilfreich für Führungskräfte.

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