Letzte Woche – im ersten Teil der Kanban-Serie – ging es um die Grundlagen des Systems. Heute gehen wir ein wenig mehr in die Tiefe und schauen uns an, welche Details Kanban so richtig effizient machen.
Wenn du letzte Woche gleich angefangen hast dein eigenes Kanban-Board aufzusetzen, dann hast du jetzt sicher schon deine ersten wichtigen Erfahrungen gemacht.
Und sicher ist dir dann auch aufgefallen, dass du in der Realität einige deiner Aufgaben nicht gleich von Anfang bis zum Ende erledigen kannst. Manchmal bleiben sie leider halbfertig in der Pipeline hängen – zum Beispiel, weil du auf etwas oder jemanden warten musst…
Die Gefahr daran ist, dass sich immer mehr solcher Aufgaben anhäufen und dann halbfertig in deiner “In Arbeit”-Spalte liegen bleiben.
Begrenze die parallel durchgeführten Arbeiten (mit WIP-Limits)
Wie bereits letzte Woche angesprochen, versucht Kanban den “Flow” zu optimieren, d.h. die Arbeitspakete sollten möglichst ohne größere Probleme durch den Bearbeitungsprozess kommen können.
Um dies zu erreichen, ist das Setzen von sogenannten “Work-In-Progress-Limits” (oder: WIP-Limits) ein wichtiges Hilfsmittel.
Die WIP-Limits werden einzelnen Spalten zugewiesen und begrenzen die Anzahl der parallel durchgeführten Aufgaben. Wenn du also in der Spalte “Detailplanung” ein WIP-Limit von fünf hast, dann darf dein Team an maximal fünf Aufgaben gleichzeitig die Detailplanung vornehmen.
Was tun, wenn du eine Aufgabe nicht abschließen kannst?
Angenommen du bist nun für die Spalte “Detailplanung” zuständig und kannst eine Aufgabe nicht abschließen, dann solltest du die folgenden Schritte durchlaufen:
- SIND ANDERE BLOCKADEN GELÖST?
Überprüfe immer zuerst, ob die Blockade bei einer anderen Aufgabe in deiner Spalte bereits aufgelöst werden konnte und ob du mit dieser Aufgabe weitermachen kannst.
- IST DAS WIP-LIMIT ERREICHT?
Falls dies nicht der Fall ist – oder du nur eine Aufgabe in der Spalte hast – dann überprüfe das WIP-Limit dieser Spalte. Wenn es nicht ausgereizt ist, dann ziehe eine weitere Aufgabe, die du beginnen willst, in die Spalte.
- LÖSE DIE URSACHEN VON BLOCKADEN
Spätestens wenn das WIP-Limit erreicht ist, solltest du dringend nach den Ursachen der Blockaden suchen. Hierzu hilft die 5W1H-Methode.
- ERHÖHE DAS WIP-LIMIT
Falls sich die Blockaden nicht lösen lassen, dann kannst du im letzten Schritt über eine Erhöhung des WIP-Limits nachdenken. Wichtig hierbei ist aber, dass du es nicht einfach so erhöhst, sondern eine bewusste Entscheidung dazu triffst (am Besten immer zusammen mit dem Team)!
Falls du diese Erhöhung jedoch zu leichtfertig machst, dann hast du plötzlich unzählige blockierte Aufgaben und das Kanban-System verliert seine Macht!
ACHTUNG!
Wichtig ist auch, dass sich Karten IMMER nur von links nach rechts bewegen dürfen. Eine einmal begonnene Aufgabe kann nicht wieder von “In Arbeit” zurück auf “Zu erledigen” gesetzt werden, denn faktisch bleibt die Aufgabe angefangen und unerledigt.
Wie vergibt man WIP-Limits?
Leider gibt es hier keine allgemein gültige Regel. Jedes Team muss mit den Limits experimentieren und seine eigenen Werte finden! Aber in unserem Beispiel mit den fünf Spalten (“Zu erledigen”, “Detailplanung”, “Wartend”, “In Arbeit” und “Erledigt”) könnten die WIP-Limit wie folgt aussehen:
- “Zu erledigen” = [X]
Diese Spalte braucht kein Limit, da hier einfach alle anstehenden Aufgaben gesammelt werden.
- “Detailplanung” = [2]
Gehen wir davon aus, dass du alleine für die “Detailplanung” zuständig bist. Dann macht es wahrscheinlich Sinn, dass du immer an einer Aufgabe arbeitest und eine weitere Aufgabe in deine Spalte ziehen kannst, falls die erste Aufgabe blockiert ist.
- “Wartend” = [4]
Da in dieser Spalte die geplanten Aufgaben darauf warten, dass sie zur Bearbeitung “abgeholt” werden, kannst du mit dem Limit etwas großzügiger sein und vier Aufgaben in dieser Spalte erlauben. Wenn du ein noch größeres Limit wählst, dann läufst du Gefahr, dass du dir “Dauerparker”-Aufgaben einhandelst, die einfach immer liegen bleiben.
- “In Arbeit” = [2]
Wenn du einen Kollegen hast, der für die Umsetzung der geplanten Aufgaben zuständig ist, dann kannst du auch ihm eine aktive und eine wartende/blockierte Aufgabe “zugestehen”. Je nachdem, um welche Art von Aufgaben es sich bei dir im Team handelt, kannst du hier aber auch ein WIP-Limit von drei setzen, so dass zwei wartende/blockierte Aufgaben möglich sind.
- “Erledigt” = [X]
Auch diese Spalte braucht kein Limit, denn hier landen ja nur die erfolgreich abgearbeiteten Aufgaben.
Wie groß die Limits für die einzelnen Spalten bei dir sind, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. U.a. von der Größe deines Teams, aber auch von den zu erledigenden Aufgaben und von der Aufteilung deines Arbeitsablaufes.
Am Anfang wirst du mit deinem Team einfach die Limits schätzen müssen. Danach kannst du dann regelmäßig überprüfen, ob sich diese Limits bewährt haben, oder ob Änderungen nötig sind. Du wirst schnell merken, wo du die richtigen Limits gewählt hast und wo noch nicht.
Was machen mit (oder gegen) Flaschenhälse?
In jedem Arbeitsablauf gibt es eine Stelle, die die Geschwindigkeit des gesamten Prozesses bestimmt – nämlich die engste Stelle: der Flaschenhals!
Wenn man nun auf einen solchen trifft, dann ist eine häufige Reaktion, dass wir diesem Teil des Prozesses mehr Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Das muss aber nicht immer die beste Wahl sein. Oft macht es auch Sinn diese Stelle einfach vor unnötiger Arbeitsbelastung zu schützen, indem man bestimmte Arbeiten in andere Bereiche verlagert. Meist kann man auch vor oder nach dem Flaschenhals Anpassungen im Arbeitsablauf vornehmen, die “den Flaschenhals” entlasten!
Eine andere gute Idee ist es auch direkt vor dem Flaschenhals einen “Aufgaben-Parkplatz” zu erstellen. Im Beispiel von letzter Woche war das die dritte Spalte “Wartend” – zwischen “Detailplanung” und “In Arbeit”.
Dieser “Aufgaben-Parkplatz” muss jedoch überwacht werden, denn sonst sammeln sich dort alle möglichen “Langzeitparker”-Aufgaben, die nie mehr “abgeholt” werden.
WICHTIG!
Egal wie du mit Flaschenhälsen umgehst, wichtig ist, dass du nicht nach schnellen oder einfachen Lösungen suchst, sondern dass du dir genau anschaust, warum an dieser Stelle der Flaschenhals ist und welche Änderung am besten dazu führt, dass der Flaschenhals entlastet wird.
Die kontinuierlichen Verbesserungen (Kaizen)
Dies führt uns zu einem weiteren zentralen – aber oft vernachlässigten – Teil des Kanban-Systems: die kontinuierlichen Verbesserungen – dem sogenannten Kaizen.
Natürlich gibt es unzählige Herangehensweisen um Verbesserungen zu erreichen. Die folgenden haben sich jedoch in vielen Teams bewährt:
- Tägliche (Kurz-)Besprechungen
Starte jeden Morgen mit einem kurzen Teammeating am Kanban-Board. Hier wird der Fortschritt eines jeden Teammitglieds seit dem letzten Meeting sowie die entstandenen Probleme besprochen. Natürlich sollten auch gleich Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Wichtig ist jedoch, dass diese Besprechungen sehr kurz gehalten werden (je nach Größe deines Team bis zu 15 Minuten, nicht mehr). Längere Diskussionen sollten aus diesen Besprechungen aber ausgelagert werden und separat besprochen werden.
- Regelmäßige Analysen des Systems
Damit Probleme und/oder Blockaden möglichst früh behoben werden können, solltest du mit deinem Team regelmäßige Analysen deines Systems durchführen. Welche Intervalle du nutzt bleibt natürlich dir überlassen, du könntest aber mit einer Analyse zum Wochenabschluss am Freitag Morgen starten und dann später entscheiden, ob du diese Analysen auf einen zwei- oder vierwöchigen Intervall streckst.In diesen System-Analysen solltest du dich vor allem um folgende Fragen kümmern:
- Wie lange ist die durchschnittliche Durchlaufzeit einer Aufgabe? Welche “Ausreißer” gibt es und warum?
- Wo staut sich die Arbeit?
- Welche Bereiche/Abteilungen sind nicht ausgelastet?
Wenn du diese beiden einfachen Verbesserungsroutinen konsequent umsetzt, dann wirst du mit deinem Team zu einem schlagkräftigen Kanban-System gelangen, mit dem du wirklich viel Arbeit erfolgreich erledigen kannst.
Nachdem du jetzt einen Überblick über Kanban bekommen hast, ist nun die Zeit für die eigene Umsetzung gekommen!
Wenn du dir jetzt aber noch nicht ganz sicher bist, ob du Kanban wirklich in deinem Team einführen willst, dann starte doch das System einfach für deine persönlichen Aufgaben. So kannst du Kanban ohne großen Aufwand oder Widerstände ausprobieren – und zur Not auch einfach wieder abschaffen, wenn es dir doch nicht gefallen sollte.
Wenn du noch Fragen oder bereits eigene Erfahrungen zu Kanban hast, dann lass uns doch einfach über einen Kommentar daran teilhaben.